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Unterwegs auf dem Jakobsweg - Ein Weg, kein Ende

Unser Gemeindemitglied Martin Gantenbrinker berichtet von einer ganz besonderen spirituellen Erfahrung.

Wenn ich Arbeitskollegen, Freunden oder meiner Familie erzählt habe, dass ich den Jakobsweg gehen möchte, kam immer die gleiche Frage mit einem überraschten Gesichtsausdruck: "Etwa den ganzen Weg?". Ich musste dann immer schmunzeln, denn wenn man sich wie ich über Wochen mit Leidenschaft dem Weg und seiner Geschichte verschrieben hat, weiß man, dass es keinen Anfang gibt und sich ein viele tausend Kilometer langes Straßennetz durch ganz Europa bis zum Grab des Apostel Jakobus dem Älteren erstreckt. Ich hätte natürlich vor meiner Haustüre starten können, aber das war mir dann doch ein bisschen zu weit. Darum entschied ich mich "nur" die letzten achthundert Kilometer über den Camino Frances bis nach Santiago de Compostela zu laufen.

Mit neun Kilogramm im Rucksack, inklusive Wasser und Verpflegung, machte ich mich Anfang Oktober 2017 auf den Weg. Nie zu vor bin ich in Spanien gewesen und ich hätte auch nicht gedacht, dass das Land so vielseitig ist. Gefühlt bin ich in den Alpen, an der Mosel, in den Great Plains, den Highlands und durch die Wälder Australiens gewandert. Letzteres aufgrund der Tatsache, dass Galicien übersäet ist mit Eukalyptus. Eine Strecke, die mir viel abverlangte. Tagelang ging ich durch die brüllende Hitze und holte mir den Sonnenbrand des Jahres. Dann wieder Regen, der das Laufen auch nicht gerade zu einem Vergnügen machte. Die Landschaft und auch die abendlichen Rituale in den Herbergen entschädigten aber stets für nasse Kleidung und schmerzhafte Fußblasen, so groß wie zwei Euromünzen. Meistens saß man gemütlich zusammen, tauschte sich aus, kochte gemeinsam, trank Wein und manchmal auch viel Wein. Man traf Menschen aus aller Welt. Sehr viele aus Europa aber auch Pilger aus den USA, Kanada, Brasilien, Korea und Australien um nur einige zu nennen. Für mich war es extrem schön mit so vielen Pilgern aus unterschiedlichen Ländern ein gemeinsames Ziel zu haben. Das schweißt zusammen und führt zu Freundschaften.

Wenn man dann aber doch abends mal seine Ruhe haben wollte und Abstand brauchte von den anderen Pilgern, dann ging man am besten einfach zum Gottesdienst. Das klingt verrückt, wenn man bedenkt, dass es ein katholisch geprägter Pilgerweg ist, aber in der Tat gehen die wenigsten Pilger den Weg aus religiösen Gründen - die meisten aber wenigsten um etwas Spirituelles zu erleben. Für mich war Gott ein ständiger Begleiter und ich hatte endlich mal die Zeit ganz bewusst mit ihm zu sprechen, insbesondere um Danke zu sagen.

In Santiago angekommen kniete ich vor der Kathedrale auf der Praza do Obradoiro nieder, betete und freute mich mit meinen Camino-Freunden, dass wie es endlich nach rund fünf Wochen geschafft hatten. Wir besuchten anschließend den Pilgergottesdienst und hatten großes Glück, dass wir sahen wie der Botafumeiro (größtes Weihrauchfass der Welt) durch die Vierung der Kathedrale geschwungen wurde. Insbesondere in der Nebensaison ist dieses weltweit bekannte Schauspiel nämlich meist nur an Hochfesten zu bewundern. In der Kathedrale umarmte ich wie alle anderen Pilger die Jakobusstatue am Hochalter und kniete vor Dankbarkeit an seinem Grab.

In diesen Momenten wurde mir bewusst, dass es nicht das Ende des Weges ist, dass der Weg weniger aus Erde, Stein oder Asphalt besteht, sondern viel mehr aus Gefühlen, Wünschen, Träumen, Erinnerungen und aus dem Glauben an Gott. Nein, dieser Weg endet für mich nicht. Er hat keinen Anfang und kein Ende.